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Nicht unsere Leistungsgesellschaft ist das Problem, sondern unsere Illusion davon

  • Dominik Bigler
  • 31. Mai 2023
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 24. Okt.

«Wir leben in einer Leistungsgesellschaft», höre und lese ich oft. In dieser müssten wir bestehen, und Schülerinnen und Schüler müssten darauf vorbereitet werden, weshalb der Umgang mit Druck gelernt werden müsse. Aber ist das wirklich so? Leben wir tatsächlich in einer Leistungsgesellschaft? 

Nein, ich glaube nicht und sehe das Problem an einem ganz anderen Ort.

Ich behaupte, wir befinden uns in einer Gesellschaft und einem Zeitalter der unvollständigen und nicht zu Ende gedachten Verwendung von pathosgeschwängerten Begrifflichkeiten.

Darin liegt die Wurzel vieles Übels.

Wir fordern Leistungen, erwarten jedoch Ergebnisse. Das ist nicht dasselbe. Leistung ist kaum messbar. Schon gar nicht in unserem Schul- oder Hochschulsystem und unserem Berufsleben. In der Regel werden Ergebnisse erwartet. Dies oder jenes muss abgerufen, rezipiert, geschrieben oder hergestellt worden sein. Mit welcher Leistung (Aufwand) dies geschah, wird nicht beurteilt. Gerade in Zeiten von KI wird dies auch hinfälliger als je zuvor.

Dann wäre es nichts als ehrlich, wenn wir von einer Ergebniskultur sprechen. Es zählt, was vorliegt. Entweder du erreichst es, oder du erreichst es nicht.

Blicken wir auf unsere (Hoch-)Schulkarriere zurück, müssen die meisten feststellen, dass die Benotung oft nicht mit unseren Leistungen korrelierte – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung.

Die Verwendung von Begrifflichkeiten, deren Bedeutung oft unklar ist, durchzieht unseren Alltag. In Organisationen werden Haltungen proklamiert, die im Widerspruch zu den tatsächlichen Erwartungen stehen. Diese Paradoxien führen zu Unverständnis, Unruhe und Unsicherheit. Wir geben vor, prozessorientiert zu sein, erwarten aber Ziele und Ergebnisse.

Dieses Phänomen finden wir sowohl im Berufsalltag als auch im Selbstmanagement. Wir machen uns vor, prozessorientiert und ergebnisoffen an eine Thematik heranzugehen, haben jedoch klare Vorstellungen, oder aber wir haben konkrete Ziele, die wir planlos verfolgen.

Es ist schlicht nicht möglich, eine Aus- oder Weiterbildung prozessorientiert anzugehen. Es besteht ein klares Ziel – bspw. das Diplom. Wir gehen nicht in prozessorientierter Absicht ins Fitnessstudio, in den Sport oder ins Yoga. Vielleicht haben wir uns kein klares Ziel definiert, aber wir wollen fitter, schlanker, stärker oder beweglicher werden. Vielleicht sind wir in dieser Hinsicht ergebnisoffen, jedoch nicht ziellos.

 

Was können wir tun?

Wir müssen Klarheit schaffen. Ist der Auftrag oder das Projekt zielorientiert oder ergebnisoffen? Erwarte ich von mir oder meinem Gegenüber, dass sie oder wir einen bestimmten Zustand erreichen? Ist eine Verbesserung oder ein Fortschritt als Absicht definiert? Dann kann keine prozessorientierte Herangehensweise umgesetzt werden.

Verbirgt sich wirklich keine Erwartung an einen Endzustand, ist eine prozessorientierte Haltung möglich.

Diese Fragen dienen nicht nur im beruflichen Kontext oder in der Kooperation mit anderen Menschen, sondern auch im Selbstmanagement. Warum gehe ich dorthin? Warum lerne ich dieses oder jenes?

Wenn wir geklärt haben, ob wir zielfokussiert oder ergebnisoffen sind, können wir den Weg dorthin planen und entscheiden, ob dieser strukturiert oder prozessorientiert gestaltet werden soll. Wir müssen uns selbst, aber auch dem Gegenüber mit Klarheit, Transparenz und Kongruenz begegnen, sowohl in den Worten als auch in der Haltung. Dies erfordert Entscheidungen und Mut zur Selbstoffenbarung. Ich bin überzeugt, dass es sich lohnt.

Es ist nicht mein Anliegen, die verschiedenen Kulturen und Haltungen gegeneinander auszuspielen. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass durch mehr Klarheit ganz viel Stress und Druck vermieden werden kann.

In einem Team oder einer Geschäftsleitung kann die Erarbeitung einer klaren Haltung in grösseren Projekten oder langfristigen Strategien eine Herausforderung darstellen. Eine extern moderierte Haltungsklärung (Supervision) kann dabei von grossem Nutzen sein und zu mehr Sicherheit, Zufriedenheit und weniger Stress führen.

 

Siehst du das anders? Nimm gerne Kontakt mit mir auf, deine Meinung interessiert mich.

 

Dominik Bigler

 MSc Soziale Arbeit, Supervisor und Coach bso i.A.

 
 
 

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